Sprecht Frauen nicht die Kompetenz ab!
Ich habe keine statistischen Zahlen, aber mein eigenes Bauchgefühl sagt mir, dass Frauen im Umfeld von Handwerksberufen oftmals nicht ernst genommen werden. Wie ich darauf komme?
Nun. Raphael und ich haben vor 11 Jahren dieses Gebäude gekauft. Und angefangen zu sanieren. In den ersten 4 Jahren war er derjenige, der sich viel Wissen angeeignet hat, aber auch der, der mich nachts damit wach hielt indem er mir jedes Detail genau erklärte und begründete… und diesen Blog mit vielen Bildern und Schriftstücken füllte. Ich war also gut informiert. So gut, dass ich dem Elektriker sagen konnte, wo welche Sicherung wieso hin kommt. So gut, dass ich mich jederzeit in unserem Haus orientieren konnte, wusste, wo welche Elektrik wieso verlegt ist, wo welche Dämmung ist, wie Wärmebrücken entstehen, wieso wir in der Küche praktisch einen Raum im Raum gebaut haben, wie der Fußboden aufgebaut war und wie er nach Sanierung aufgebaut ist, *lufthol* … ich könnte lange weiter schreiben (oder man liest einfach den Blog rückwärts).
Da ich damals unter der Woche über mehr „freie“ Zeit verfügte als er, war ich es auch, die Baustoffe mit dem Anhänger abholte, Bauschutt auf die Deponie fuhr, etc… Erstmals extrem aufgefallen ist mir 2017, dass Frauen anders behandelt werden. Als ich Massivholzdielen mit dem Anhänger aus der Nähe von Frankfurt abholen wollte und der Verkäufer entsetzt war, dass ich als Frau alleine kommen möchte – ohne kräftigen Mann. Den es nicht brauchte, weil die Palette Holz einfach mit dem Stapler auf den Anhänger geladen werden konnte und ich durchaus in der Lage war und bin, Spanngurte korrekt anzulegen.
Als Raphael dann vor knapp 7 Jahren starb, hatten wir in etwa 1/4 der Baustelle abhaken können. Von allen Wohnräumen war genau einer fertig – die Küche. Seitdem muss ich also Entscheidungen alleine treffen. Weil mein neuer Partner zwar von vielem wirklich Ahnung hat, aber keinerlei Verständnis von Baustelle, Werkzeug und handwerklichen Dingen. (Sorry, Sascha. Ich liebe Dich trotzdem!)
Ich bin also diejenige, die sich auf Portalen umschaut, sich auf Baumessen herumtreibt oder schlichtweg Firmen anruft. Im letzten Jahr war es die Photovoltaik, im akuten Fall geht es um eine Klimaanlage. Ich bin auch diejenige, die mit den Handwerkern spricht, sie herumführt, die Ideen und Vorstellungen hat. Dennoch passiert es mir recht häufig, dass ich nicht ernst genommen werde. Dass mir Männer (ausschließlich Männer, aber ich habe bisher auch nur mit einer Frau zu tun gehabt) erst mal die Welt erklären wollen.
So wie der Handwerker, der letzte Woche im Hof stand, noch gar nicht gesehen hat, welche Räume Klimaanlage bekommen sollen, und schon erzählte, wie schwierig das alles werden könnte. Ich habe ihn irgendwann unterbrochen mit dem Satz, dass er Kunden durchaus auch Kompetenz zusprechen kann und ihm vorgeschlagen, mir erst einmal zuzuhören, bevor er das Rad neu erfindet.
Was ich mit vielen Worten versuche zu umschreiben: Männer, macht doch nicht den Herklärer. (um es mit dem Lied von Tommy Krappweis und Bina zu sagen: https://youtu.be/A5ma2v03ORs?si=LfaZzZ69DysOwn63)
Nehmt eure (potentiellen) Kunden ernst, auch und erst Recht, wenn es eine Frau ist.
Achja, geschätzt 75% der privat Helfenden auf der Baustelle sind übrigens Freundinnen, nicht Freunde!
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