Was ist eigentlich das „Reichsformat“ und warum ist das heute gut für uns?

Vielleicht mag diese Frage überraschen, ich will es ausführlicher beantworten.

Den ersten Teil der Frage beantwortet Wikipedia zum Thema Reichsformat:

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Ziegel-Module“ von Aquarius70 – Von Frank Murmann vektorisiert und am 25. November 2011 in die deutschsprachige Wikipedia geladen. Beruht auf einer Bitmap-Vorlage von Aquarius70.. Lizenziert unter Copyrighted free use über Wikimedia Commons.

Industrialisierung und Eisenbahnbau ermöglichten den Transport von Baumaterialien über größere Strecken und die Lieferanten mussten austauschbar sein. So wurde 1872 in Deutschland per Gesetz das sogenannte „Reichsformat“ für Ziegel (heute „altes Reichsformat“) eingeführt: 25 cm × 12 cm × 6,5 cm. Damit konnte ein Gebäude aus Mauerziegeln verschiedener Herkunft erbaut werden. Für staatliche Bauten war die Verwendung dieser sogenannten „Reichsziegel“ verbindlich. Für andere Gebäude war es wirtschaftlicher geworden, normierte Ziegel zu verwenden und herzustellen. Dieses Ziegelformat wurde 1869 von dem Berliner Baumeister Lämmerhirth vorgeschlagen. Damit wurde die Anzahl mit dem Planungsmaß 1 Kubikmeter Bauwerk verbunden. Ein Kubikmeter Mauerwerk inklusive 1 cm Fuge und üblichen Verlusten an den Ecken bestand aus 400 Ziegeln.

Mit dem metrischen System wurde das (neue) Reichsformat mit 24 cm × 11,5 cm × 6,3 cm und das Normalformat mit 24 cm × 11,5 cm × 7,1 cm notwendig. Mit dieser Ziegelgrundfläche und einem Zentimeter Mörtelfuge waren die Bauten in 1/8-Meter-Einheiten gerastert (oktametrisches System). Durch eine fehlende oder zusätzliche Mörtelfuge bei Innen- und Außenmaßen ergibt sich immer eine Differenz von ±1 Zentimeter. Auf dieses Baurichtmaß genannte Raster wurden später die Maße anderer Baugewerke, wie zum Beispiel Fenster und Türen, abgestimmt und in ihren Maßen genormt.

Quelle: Seite „Mauerziegel“. In: Wikipedia, Die freie Enzyklopädie. Bearbeitungsstand: 2. November 2015, 21:21 UTC. URL: https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Mauerziegel&oldid=147645987 (Abgerufen: 2. Dezember 2015, 23:14 UTC), Creative Commons Shared Alike 3.0 (CC-by-SA-3.0)

Das Abluftrohr der Dunstabzugshaube ging durch die Außenwand in den Winkel. Das Loch in der Wand wurde inzwischen wieder zugemauert.
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Loch in der Außenwand in der Küche: Hier stecke zuvor das Abluftrohr der Dunstabzugshaube.

Der zweite Teil der Frage ist nicht ganz so offensichtlich: Aufgrund der Standardisierung war es schon früher möglich, Ziegelsteine verschiedener Herkunft in einem Bauwerk zu kombinieren. Das ist insofern erfreulich, als dass wir heute ein Mauerloch zumauern mussten und dort „alte Ziegelsteine“ benötigten.

Das Loch war knapp 40x40cm groß, die Wand 25cm (eine Ziegelsteinlänge) stark. Natürlich ist bei einem so alten Gemäuer heute nicht mehr damit zu rechnen, dass der einstige Steinlieferant heute noch existiert oder dass „Reserve-Steine“ irgendwo im Keller rumliegen.

Glücklicherweise gibt es diese wenn auch uralten Standards und es ist daher auch heutzutage nicht sonderlich schwer, passende Ersatzsteine zu finden. Meine Mutter hatte aus irgendeinem Abriss noch 10 Mauersteine über, die wenn auch >200km entfernt hergestellt, exakt das gleiche Maß haben, wie die hier bei uns verbauten (bzw. fehlenden) Steine.

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Blockverband“ von BurnyEigenes Werk. Lizenziert unter CC BY-SA 3.0 über Wikimedia Commons.

Die Wand ist im Kreuzverband oder im Blockverband gemauert, das zu füllende Loch war am Anfang (Rand) der Wand. Ich musste zwei Läuferschichten und zwei Binderschichten mit den Steinen füllen.

Mit modernen Steinen wäre das deutlich aufwendiger gewesen das Loch zu füllen, da man im Baustoffhandel heute die heute typischen Normsteine bekommt.

Übrigens: gebrauchte und gesäuberte Ziegelsteine im Reichsformat auf Euro-Palette kosten auf dem Gebrauchtmarkt idR 70¢ bis 1€/Stück, oft VHB. Das ist (pro Volumen gerechnet) deutlich teurer als moderne Ziegelsteine vom Baustoffhandel.

Und weil vom zweiten Mörteleimer noch etwas über war, habe ich damit noch an einer anderen Stelle die Ziegelwand ausgebessert.

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Mauerschlitz mit Rest-Mörtel verfüllt und dabei die beiden Wellrohre fixiert, die von der Küche zum Keller herunter führen.

 

1 Kommentar zu „Was ist eigentlich das „Reichsformat“ und warum ist das heute gut für uns?

  1. Yo!…und so werden sich dann in ein paar Jahrhunderten Archäologen wundern, wie denn wohl Ziegel mit der mineralischen Lehm-Zusammensetzung aus dem Gebiet um Lich in Hessen in ein altes Weingut an der Südlichen Weinstraße kommen….. 🙂

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